„Nur wer Ehrfurcht vor der Vergangenheit hat,
kann die Zukunft meistern."
Wenn in diesen Tagen das Raisdorfer Handwerk, der Handel und Gartenbau eine Leistungsschau, verbunden mit einer Weihnachtsmesse, veranstaltet, um damit einen unbeugsamen Lebenswillen in vorbildlicher Weise zu veranschaulichen, so werden gewiß auch viele Besucher aus der näheren und weiteren Umgebung kommen, und mancher von ihnen wird gern einmal einen Blick in die Geschichte unseres Ortes tun wollen.
Bis 1870 etwa war für Raisdorf der Name „Kieler Raisdorf" im Gegensatz zu „Preetzer Raisdorf", dem jetzigen Sophienhof bei Preetz, gebräuchlich. Die alte urkundliche Benennung aber war „Wendischen Rathwersdorpe".
In allen Urkunden wird dieses Rathwersdorpe ausdrücklich als slawisches Dorf bezeichnet, und noch heute weist die Lage der sieben Bauernhöfe um den Dorfplatz herum auf die ursprüngliche slawische Siedlungsform.
Bis zur Zeit Karl des Großen ist die Geschichte Schleswig-Holsteins und damit auch Raisdorfs in tiefes Dunkel gehüllt, doch um 800 versuchten die Slawen weiter nach Westen vorzudringen, und durch den Sieg über die Sachsen auf dem Heiligenfeld bei Bornhöved (798) verschafften sie sich freien Eingang in Holstein und schlugen bald ihre Wohnsitze auch im östlichen Teil des Landes, in Wagrien auf.
Ob nun Raisdorf gleich im 9. Jahrhundert oder erst im 10. oder 11. Jahrhundert entstanden ist, läßt sich nicht nachweisen, sicher ist, daß der Ort um 1100 bestanden haben muß, denn schon 1139, zur Zeit Adolf II aus dem Hause der Schauenburger, wurde Wagrien völlig mit der Grafschaft Holstein verbunden. Und seitdem wurde namentlich durch Hereinnahme von westfälischen, friesischen und holländischen Kolonisten systematisch auf die Verdrängung des Wendentums hingearbeitet, bis um 1400 alle Reste des Slawentums verschwunden waren In dieser Zeit gab es neben dem „Wendischen Rathwersdorpe" noch ein „Dudisches Rathwersdorpe", eben das oben erwähnte „Preetzer Raisdorf". Da die deutschen Ansiedlungen allmählich neben den wendischen entstanden und auch entsprechend unterschieden wurden, muß das „Kieler Raisdorf" das ältere sein. Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß Raisdorf auf eine 900-jährige Geschichte zurückblicken kann.
Sowohl der Adel wie, auch die Geistlichkeit hatten schon in den, ersten Jahrhunderten des Bestehens unseres Dorfes großen Einfluß auf die kulturelle Entwicklung des Landes. Die höheren Geistlichen eigneten sich infolge der katholischen Hierarchie die Stellung von Fürsten an und konnten so bedeutenden Grundbesitz erwerben und überall den sogenannten Zehnten erheben. Obwohl Raisdorf in unmittelbarer Nachbarschaft des Klosters Preetz lag, konnte es sich noch lange dem klösterlichen Einfluß entziehen.
In einem Besitzverzeichnis von 1286, in dem beispielsweise Pohnsdorf, Sieversdorf, Neuwühren (mit 16 Hufen!), Kroog, Klausdorf, Probsteierhagen und viele andere Dörfer der Probstei aufgezählt sind, erscheint Raisdorf nicht. Erst 1369 wurde es durch Kauf Eigentum des Klosters. Der Besitzer bis dahin war der Knappe Heinrich Block, dem auch das damals in der Holzung „Voghelsang" gelegene Dorf gleichen Namens gehörte, dessen gesamte Einwohnerschaft durch den Schwarzen Tod hingerafft wurde. In den Propst- und Priorinnen-Abrechnungen des Kloster-Archivs aus dem Jahre 1550, in denen Raisdorf als „Raddersdorpe" bezeichnet wird — ab 1600 heißt es „Raystörff" — werden acht Bauern als „häuer"-pflichtig aufgeführt.
Namen wie Muhl, Havemeister, Maß, Borchert, Jung-Johann kehren in den späteren Jahrhunderten immer wieder. Die Familie Borchert fand erst 1801 einen Nachfolger in Johann Friedrich Hamdorff, die Familie Jungjohann lebt noch heute auf ihrem Bauernhof und ist somit mindestens 400 Jahre in Raisdorf nachweisbar.